Zum geplanten Pistenausbau wollte der Kanton Zürich, seines Zeichens Ausbaubefürworter, keine Gegenargumente in der Abstimmungszeitung haben. Er strich die Gegenposition des Referendumskomitees eigenmächtig um fast die Hälfte und gab die Abstimmungsunterlagen in Druck und informierte erst dann das Referendumskomitee. Grund: Er teile die Argumente des Contra-Lagers nicht. Dagegen hatte das Referendumskomitee Stimmrechtsbeschwerde ergriffen und diese vor Bundesgericht gebracht. Dieses entschied nun: Weil der Kanton die Abstimmungsunterlagen schon gedruckt und in Verteilung gebracht hatte und die Abstimmung ‘bereits in vollem Gange’ sei, lasse sich die Abstimmung nicht mehr verschieben und mit korrekten Abstimmungsunterlagen durchführen. Für das Referendumskomitee ist klar: Dass der Regierungsrat mit einer solchen Verzögerungstaktik eine Volksabstimmung mit unausgewogenen Abstimmungsunterlagen gewinnen wolle, sei scharf zu verurteilen.
Unterzeichnen genügend Stimmberechtigte ein Referendum, haben sie das Anrecht, dass ihre Gegenposition in der Abstimmungszeitung abgebildet wird. Das soll gewährleisten, dass die Stimmbevölkerung über beide Positionen zu einer Vorlage Bescheid wissen. In Zürich dagegen wollte der Kanton in Bezug auf den Pistenausbau des Flughafen Zürich und mit Regierungsrätin Carmen Walker-Späh umtriebiger Ausbaubefürworter, selbst entscheiden, welche Bedenken zu der von ihm befürworteten Vorlage die Gegner haben dürfen und welche nicht.
Sie löschte kurzerhand die Gegenargumente um fast die Hälfte. Die Nein-Stimmen zum Pistenausbau dürften ihre Bedenken, dass eine Kapazitätssteigerung des Flughafen Zürich Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit der Wohnbevölkerung haben würde, nicht äussern. Nur die Spekulationen der Pro-Seite, etwa, dass es zu mehr Pünktlichkeit käme – wichtig u.a. wegen der Nachtruhestörung durch die Verspätungen -, dürften in der Abstimmungszeitung erwähnt werden. Dies, obwohl hinlänglich bekannt ist, dass Verspätungen vom internationalen Flugplan abhängen und weniger Nachtruhestörungen einzig durch weniger Flüge kurz vor der Nachtruhe erreicht werden könnten.
Gegen dieses undemokratische Vorgehen – dass die Spekulationen der Ausbaubefürworter in die Abstimmungsunterlagen kommen dürfen, die Befürchtungen des Referendumskomitees, also genau die Gründe, die überhaupt zum Ergreifen des Referendums führten, jedoch nicht -, hatte das Referendumskomitee Stimmrechtsbeschwerde ergriffen. Der Regierungsrat, in Personalunion Ausbaubefürworter, hatte die Beschwerde abgewiesen.
«Dieses Vorgehen ist nicht nur absurd, sondern auch undemokratisch», kommentierte Urs Dietschi vom Referendumskomitee und Vorstand FAIR in AIR, als dieses Gebaren publik wurde. «Dass in einem demokratischen Prozess die Ja-Seite entscheiden darf, welche Argumente die Gegner zu ihrer Position veranlassen: So etwas darf es in der Schweiz nicht geben.» Der Kanton hatte zudem, obwohl er dem Komitee zugesichert hatte, Rücksprache zu halten, sollte er an der eingereichten Stellungnahme Anpassungen vornehmen wollen, und dass er ein gut zum Druck zusenden würde, das Komitee vor vollendete Tatsachen, nämlich die Löschung der Argumente, gestellt. Bei der Ablehnung der Stimmrechtsbeschwerde unterliess die Regierung die Erwähnung, dass sie 13 Tage lang das Komitee nicht informierte und auch das versprochene ‘Gut zum Druck’ nie einholte und ‘generell auf Zeit spielte’, so Urs Dietschi vom Komitee.
Entscheid vom Bundesgericht
Das Komitee gelangte daraufhin an das Bundesgericht. Für einen informierten Entscheid der Stimmbevölkerung müssten beide Positionen vertreten sein. Die Abstimmung soll darum verschoben und die Abstimmungsunterlagen neu gedruckt werden. Weil der Kanton es aber unterlassen hatte, das Referendumskomitee rechtzeitig zu informieren, die Inhalte eigenmächtig ohne Rücksprache gelöscht hatte und die Abstimmungsunterlagen in Druck und zur Verteilung den Gemeinden zugestellt hatte, und die Abstimmung darum ‘bereits in vollem Gange’ (1) sei, lasse sich eine Verschiebung nicht umsetzen.
«Der Regierungsrat hat damit nicht nur ungebührlich Einfluss genommen auf eine Volksabstimmung, sondern durch seine Verzögerungstaktik auch verunmöglicht, dass dessen allfällige Fehler hätten ausgebügelt werden können», so Urs Dietschi. Nicht nur hatte die Staatskanzlei im Auftrag der Regierung das Komitee erst zu spät über die Löschung seiner Stellungnahme informiert, er hatte auch die Stimmrechtsbeschwerde erst nach Verstreichen lassen wertvoller Zeit behandelt, kurz bevor die Abstimmungsunterlagen bereits in der Post lagen bei den Stimmberechtigten. «Dieser Fall muss Konsequenzen haben, nicht nur für den Kanton Zürich, sondern für die ganze Schweiz. Unsere Demokratie beruht darauf, dass wir Pro und Contra benennen und dann entscheiden können – und nicht diktatorisch nur eine Seite kennen dürfen.»
Das Referendumskomitee zeigt sich aber kämpferisch. «Wir sind sicher, dass die Bevölkerung eine solche Einflussnahme nicht gutheisst und diese Vorkommnisse der Stimmbevölkerung nochmals ganz klar aufzeigen, dass beim Pistenausbau von den Ausbaubefürwortern nicht mit offenen Karten gespielt wird», so Dietschi.
(1) Bundesgerichtsurteil, Zustellung vom 20. Februar 2024.